Die Herkunft eines Künstlers spielt in der Rapszene eine wichtige Rolle für Authentizität und politischen Standpunkt. Exiliert oder in Deutschland als zweite oder dritte Generation von immigrierten Eltern geboren, wird Ethnizität als Motivation genutzt, um eine künstliche Differenz in der Präsentation von Rappern mit und ohne Migrationsgeschichte herzustellen.
Rap mit Migrationshintergrund
Nach der Etablierung der Hip-Hop-Kultur aus den USA in deutschen Großstädten wurde diese zur ersten Subkultur unter Jugendlichen, in die in hohem Maße auch sogenannte Migranten eingebunden waren. Dadurch wurde es für aufstrebende Rapper in ihren Inhalten und bei ihren Performances ein zentrales, fast aufgezwungenes Element, sich ethnisch zu kategorisieren und, ebenso wie die afroamerikanischen Rapper, sich miteinander zu solidarisieren. Dass die Hip-Hop-Kultur in ihren Anfängen in der Bundesrepublik vor allem von aus dem Ausland stammenden Künstlern aufgenommen und praktiziert wurde, entstand der Eindruck von Rappern als ,,eingewanderte Unterschicht“, die in der Selbst- und Fremdwahrnehmung auf ihre Herkunft reduziert wird und mit bestimmten sozialen Problemen assoziiert wird.
Durch die zu Zeiten des Internets starke internationale Vernetzung und durch Jugendzentren bestimmter ghettoisierter Stadtteile als Szenetreffpunkten, fand für die betroffenen Jugendlichen eine große Identifikation mit der gesamten Hip-Hop-Kultur statt. Dass man sich als ,,fremd“ begriff, machte die Solidarisierung mit denselben ethnischen Gruppen in anderen Ländern, wie den USA einfacher. Eines der hauptsächlichen Themen war ihre Existenz als diskriminierte Minderheit, und wie bei den Rappern der New Yorker Ghettos beruhte dies auf alltäglichen Erfahrungen von Rassismus und sozialer Benachteiligung.
Selbst und Fremd
In Abgrenzung zu Rappern ohne Migrationshintergrund, welche meist Vertreter einer wohlhabenden Mittelschicht waren, bildete sich von den ,,ausländischen“ Rappern der vom Neuen Deutschen Sprechgesang eindeutig abgeteilte Straßenrap: mit dem von gelangweilten, gegen ihre Eltern rebellierenden deutschen Wohlstandskindern gemachten Deutschrap hatte man in Sachen Credibility und Realness, also Glaubwürdigkeit und authentischen Inhalten, nichts zu tun, so empfanden die ,,Multi-Kulti-Rapper“ der Straße.
Anfang des 21. Jahrhunderts, mit Hip-Hop-Zentren in Großstädten wie Frankfurt, Berlin oder Köln, fand der ,,Multi-Kulti-Rap“ Vertreter, die mittlerweile zu den Größen des Genres in Deutschland gehören: Rapper wie Bushido, Eko Fresh oder Kool Savas sowie die bekannte Plattenfirma Aggro Berlin. Durch die schon erwähnte Solidarisierung mit- und untereinander in einer Subkultur mit den gleichen Ausgrenzungsmechanismen der übrigen Kultur, wird die Andersartigkeit zum vereinenden Faktor. Abgesehen von der Möglichkeit zur Eingliederung, also Integration, von Migranten in die deutsche Gesellschaft, ist dieser Identifikationscharakter des Hip-Hop zentral.
Durch die Vereinnahmung der Kultur durch Plattenlabel und Kapitalismus, der Etablierung als Musik für die Massen, veränderte sich dieses Verständnis jedoch wieder etwas: jede/r kann heute Hip-Hop-Musik machen. Die Credibility in der Szene muss man sich aber nach wie vor verdienen.